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Welchen Einfluss hat die Feuchtigkeit in der Wand auf den Wärmeschutz?

"Unter vergleichbaren Bedingungen benötigen gegenwärtig ältere Wohnhäuser, die um die Jahrhundertende erstellt wurden, 2 bis 3-mal weniger Raumwärmeenergie als solche, die in den letzten Jahren auf Basis der Berechung nach dem U-Wert erstellt wurden.

Obwohl hinsichtlich der Baukonstruktion diverse Unterschiede bestehen (Wärmebrücken, Kühlrippen, usw.) lassen sich die erhöhten Energieverbrauchswerte mit herkömmlichen Berechnungen nicht erklären. Sowohl die U-Wert-Theorie, als auch die Theorie über instationäres Wärmeverhalten von Gebäuden sind nicht in der Lage, die bis zu 300% betragenden Energie-Verbrauchserhöhungen nur annähernd zu rechtfertigen."

1953 wurden von der Eidgenössischen-Material-Prüfanstalt (EMPA) 5 Jahre lang an Versuchshäuschen instationäre U-Werte ermittelt. Es erfolgten äußerst korrekte Temperatur- und Energiemessung sowie die Erfassung der Feuchtigkeitsveränderungen.

Erfassung der Feuchtigkeitsveränderungen an mehreren Häusern

In einer Versuchsdurchführung 1954/55 wurde festgestellt, dass im Mauerwerk die Feuchtigkeit im Sommer zu- und im Winter abnimmt. Mit der Austrocknung verschlechterte sich der Wert der Wärmedämmung um 30%. [1] Weder die instationäre Berechnung als auch die gesetzlich vorgeschriebene U(k)- Wert - Theorie sind experimentell ausreichend nachgewiesen.
Die unterschiedlichen Feuchtegehalte im Mauerwerk mit ihren jeweiligen Energieströmen, die Wärmespeicherfähigkeit sowie die Temperaturleitzahl werden in den Berechnungen nicht berücksichtigt.

Es wird davon ausgegangen, dass eine Feuchtigkeitserhöhung in der Mauerwerkskonstruktion die Wärmeleitzahl etwa um 5 bis 6% (maximal 10%) verschlechtern können. Je nach Volumengröße, wo sich im Wandaufbau Wasser oder Luft-Wasserdampf-Gemische befinden, könnten diese Werte weit größer sein. Siehe hierzu die Stoffwerte in der Tabelle 1.

In der Regel sind die Wärme- und Feuchtetransportprozesse in Gebäuden stark gekoppelt. Dies zeigt sich besonders deutlich beim Feuchteeinfluss auf die Wärmedämmung von Bauteilen. In einer Grafik wird der Anstieg der Wärmeleitfähigkeit von drei verschiedenen Baustoffen in Abhängigkeit vom Wassergehalt aufgezeigt. (Bild 1) [2]

Veränderung der Wärmeleitfähigkeit bei Feuchte

Während die Wärmeleitung mineralischer Wandbildner, wie bei dem hier dargestellten Porenbeton, linear mit dem Wassergehalt ansteigt, ist der Anstieg bei Polystyrol - Hartschaum leicht progressiv. Überraschend ist der starke Anstieg der Wärmeleitfähigkeit von Mineralwolle schon bei sehr kleinem Wassergehalt. [2]
Auch bei Eichler/Arndt wird der Einfluss der Feuchtigkeit auf die Wärmedämmung beschrieben, wobei hier Einflüsse in Küstennähe, Wetterseiten und Schlagregen und anderes genannt werden. Konkrete Zahlen, wie sich dies auswirkt, werden nicht genannt. [3]

In einer Wandkonstruktion kommen die Aggregatzustände, Luft-Wasserdampf-Gemisch, Wasser und Eis (Winter) vor. Die Phasenverschiebung wird durch die Temperatur, Materialstruktur (Poren, Kapillare, Salze) und Druck bestimmt. Im Mauerwerk liegen keine gleich bleibenden Zustände vor. Sie verändern sich ständig qualitativ und quantitativ. Es liegen Energieströme vor, wo der Wandbaustoff zusätzlich durch die Wärmeleitfähigkeit der Luft, Luft-Wasserdampf-Gemisch, Wasser und im Winter durch Eis beeinflusst wird.

Tabelle 1: ausgewählte Stoffwerte

StoffDichte ρ [kg/m3] Spezifische Wärmekapazität c [kJ/kgK] Wärmeleitfähigkeit λ [W/mK] Temperaturleitzahl a [m2/s]
Wasser (20ºC) 998,4 4,182 0,604 -
Eis 917 1,93 2,2 1,2
Luft - 1,0 - -
Sand trocken 1500 0,80,33 2,74
Sand nass 1650 2,1 1,1 0,49
Ziegel 1800 0,92 0,81 0,49

Es lässt sich erkennen, dass sich bei feuchtem Sand und so auch bei Mauerwerk die spezifische Wärmekapazität erhöht. Je mehr Wärme ein Stoff speichern kann, umso träger reagiert er bei der Aufheizung und Abkühlung. Der feuchte Sand hat so annähernd die gleiche Wärmekapazität wie von Holz. Allerdings verändert sich auch die Wärmeleitfähigkeit, welche bei feuchtem Sand und so bei Mauerwerk zunimmt. Ein weiterer Wert, die Temperaturleitzahl oder Temperaturleitfähigkeit a [m2/s] sollte hier Beachtung finden. Sie ist das Maß für die Fortpflanzungsgeschwindigkeit einer Temperaturänderung in einem Körper. Eine Temperaturänderung pflanzt sich umso rascher fort, je größer das Wärmeleitvermögen und je kleiner die spezifische Wärmekapazität sowie die Dichte sind. Nasser Sand zeigt hier deutlich günstigere Werte.
Wie bereits oben genannt, liegen in einem Wandquerschnitt unterschiedliche Feuchten vor, wie Kernfeuchte, Kondenswasser, Spritzwasser und anderes, die sich auch in ihrer Ausdehnung ändern oder zeitweise nicht vorhanden sind. [6] Damit ändert sich auch die physikalischen Zustände im Baustoff. Es gibt somit innerhalb des Wandquerschnitts Abschnitte, wo eine höhere Wärmespeicherung und Wärmeleitfähigkeit vorliegt, bei anderen liegen die Werte niedriger. Wandert im Winter der Frostpunkt in das Innere des Mauerwerkes, so verringert sich die Wärmespeicherung und die Wärmeleitfähigkeit erhöht sich. Dies wirkt sich nachteilig auf die Wärmedämmung der Außenwand aus.

Ein Energiestrom erfolgt immer von der höheren Temperatur zur niedrigeren. Erhöht sich die Lufttemperatur an der äußeren Oberfläche der Außenwand, so liegen zwei Energieströme vor, einer von innen und einer von außen. Damit kommen die bekannten Amplituden (Temperaturkurven) zustande, die sich irgendwo im Wandquerschnitt überlagern und aufheben. Bei einer Temperaturänderung ändert sich auch in bestimmten Umfang der Druck in den Poren, Hohlräumen und Kapillaren. Je nach Höhe des Taupunktes taut Flüssigkeit aus oder geht in ein Luft-Wasserdampf-Gemisch über. Wird jetzt noch die Verdampfungswärme des Wassers (0 ºC, 2500 kJ/kg) oder die Schmelzwärme des Eises (333,4 kJ/kg) berücksichtigt, so kommt es lokal zusätzlich zur Wärmeaufnahme beziehungsweise Wärmeabgabe, je nach dem welcher Aggregatzustand sich einstellt. Ändert sich die Temperatur im Wandquerschnitt wieder, so ändern sich unter Umständen auch die Aggregatzustände. Winterliche Direkteinstrahlung und auch die indirekte Einstrahlung (nur eben wesentlich geringer) bewirken eine Absorbierung der Wärmeenergie, die über viele Stunden gespeichert wird und langsam wieder nach außen entweicht. Dies wurde auch in der Versuchsdurchführung 2001 in Leipzig nachgewiesen, wo hier eine Kurve für einen Tagesabschnitt dargestellt wird.

Temperaturverlauf in einer Außenwand durch solare Erwärmung

Erläuterung: Punkt 1 = 7.00 Uhr bis 23.00 Uhr, von 9.10 bis 15.30 Uhr Sonnenschein; Reihe 1 = Raumtemperatur; Reihe 2 = Temperatur an der Innenseite der Außenwand; Reihe 3 = Temperatur in der Wand (10 cm von außen); Reihe 4 = Temperatur an der Außenoberfläche der Wand; Reihe 5 = Lufttemperatur außen (geschützt)

"... Es konnte festgestellt werden, dass auch an Tagen, wenn keine Sonne scheint, eine geringe Temperaturerhöhung an der äußeren Wandoberfläche erfolgt. Dabei ist diese Temperatur höher als die im Wandinneren. In dieser Zeit lag zusätzlich ein Wärmestrom von außen nach innen vor. Es kam bei 12 Tagen durchschnittlich zu einer Temperaturerhöhung von 5 K. Zeit verzögert erfolgte eine Abkühlung, die sich über einen Zeitabschnitt von 10 bis 18 Stunden erstreckte, bis das ursprüngliche Niveau erreicht war ..." [5]

Unter dem Gesichtspunkt der höheren Speicherfähigkeit der Wärme eines feuchten Wandbaustoffs und der geringeren Temperaturleitfähigkeit könnte so zusätzliche Wärme zum Beispiel in einer Außenwand gespeichert werden, wobei auch eine verzögerte Wärmeabgabe erfolgt. Jeder Feuchtigkeit ist bei einer bestimmten Temperatur eine Enthalpie zugeordnet. Weiterhin spielen hier auch die Teildrücke eine Rolle. (Vergleiche hierzu das Mollier (h,s)-Diagramm im Beitrag Luftfeuchtigkeit.) Bei einer vollständigen trockenen Wand, zum Beispiel Stahlplatte, kann die Feuchtigkeit unter normalen klimatischen Bedingungen vernachlässigt werden, wenn die Temperatur der Wandfläche und die der Oberfläche keiner Schwankungen ausgesetzt währen und so nur geringe Menge an Kondensat an der Oberfläche austaut. Wärmetauscher funktionieren auf dieser Basis. Die Feuchtigkeit wird allerdings vom Werkstoff nicht aufgenommen. Bei mehrschichtigen Wandkonstruktionen ist die Variationsmöglichkeit noch größer.

Neben der Phasenverschiebung sollten auch die einzelnen Feuchtezustände in praktischen Versuchsreihen ermittelt werden, da es bei bestimmten Feuchteanteilen kritische und auch optimale Bereiche geben wird, die auch für die Entwicklung von Baustoffsystemen und -konstruktionen von Interesse sein dürfte.

Die gegenwärtige gesetzliche U-Wert-Berechnung stellt einen Idealzustand (Labor) unter Ausschluss klimatischer Bedingungen dar. Für grobe Einschätzungen der Bereitstellung von Wärme durch Heizkörper, wofür diese Berechnungsmethode auch entwickelt wurde und im Bereich höherer U-Werte sicherlich ausreichend.
(Berechnung des U-Wertes an einer Außenwand.)

Literatur
[1] Energieverbrauchsanalysen von Hochbauten (Bossert/Nagel Januar 1980) aus Deutsche Bauzeitung 9/1982 S. 58-62
[2] IBP - Software - WUFI - Grundlagen (2001) Fraunhofer Institut
[3] Eichler/Arndt; Bautechnischer Wärme- und Feuchteschutz, 1989
[4] Günter Meyer, Erich Schiffner; Technische Thermodynamik, Fachbuchverlag Leipzig, 1983
[5] Eingespeicherte Solarenergie bei einer Außenwand - praktische Versuchsdurchführung 2001 ib-rauch.de/bauphysik/waermsp.html
[6] Trocknung von feuchten Bauwerksteilen 2002 ib-rauch.de/Beratung/feuchtig.html


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